Verkehrsmedizin Thurgau         
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2025-01-30

Verbesserung der Verkehrssicherheit: Verkehrsmedizinische Erkenntnisse aus der Analyse von Dashcam-Daten zu Sekundenschlaf bei Berufskraftfahrern

1. Einleitung

Sekundenschlaf, auch als Mikroschlaf bezeichnet, tritt auf, wenn eine Person für kurze Zeit (in der Regel nur wenige Sekunden) in einen Zustand der Schläfrigkeit oder des Schlafs fällt, ohne sich dessen bewusst zu sein.

In den letzten Jahren haben sich Dashcams zu einem unverzichtbaren Werkzeug in der Verkehrssicherheit entwickelt. Die Fähigkeit, Fahrzeugbewegungen und Fahrverhalten in Echtzeit aufzuzeichnen, bietet wertvolle Einblicke in Unfallursachen und -verläufe. Eine japanische Studie nutzt Dashcam-Videoaufnahmen, um das Verhalten von Berufskraftfahrern unmittelbar vor Lkw-Kollisionen zu analysieren und eine neuartige Lösung zur Reduzierung von Unfällen zu entwickeln, die durch Sekundenschlaf verursacht werden.

2. Methodik der Studie

Insgesamt wurden 3.120 Sekunden Videomaterial (60 Sekunden pro Fall) aus 52 realen Lkw-Kollisionen aufgezeichnet. Diese Aufnahmen stammen sowohl von Innen- als auch Aussendashcams und wurden sekundengenau analysiert. Die Analyse konzentrierte sich auf visuelle Veränderungen der Augen und auf Verhaltensweisen, die mit Sekundenschlaf in Verbindung stehen. Es wurde also nur durch die Dashcam beobachtbare Aspekte in die Untersuchung einbezogen. Dazu gehörten:

- Anti-Müdigkeitsverhalten des Fahrers (z. B. Berührungen zur Stimulation)
- Verhaltenzeichen von Mikroschlaf (z. B. fehlende Körperbewegungen)
- Abnormales Fahrzeugverhalten (z. B. unangemessenes Überqueren der Fahrbahn)

3. Ergebnisse

Die Auswertung der Kollisionen zeigte signifikante Muster im Fahrer- und Fahrzeugverhalten. Besonders bemerkenswert war:

- Anti-Müdigkeitsverhalten: Das Berühren des Gesichts und anderer Körperteile wurde bei 46,2 % der Fahrer beobachtet.
- Verhaltenszeichen von Mikroschlaf: Ein fehlendes Mass an Körperbewegungen trat bei 75,0 % der Fahrer auf.
- Abnormales Fahrzeugverhalten: Unangemessenes Überqueren der Fahrbahn wurde bei 78,8 % der Fälle dokumentiert.

Die Ergebnisse legen nahe, dass eine Abnahme der Aktivität im Anti-Müdigkeitsverhalten eng mit einem Anstieg von Verhaltenszeichen des Mikroschlafs sowie abnormem Fahrzeugverhalten korreliert. Diese Veränderungen traten häufig etwa 40 Sekunden vor den Kollisionen auf, was auf einen kritischen Zeitraum hinweist, in dem das Risiko eines Unfalls extrem ansteigt. Interessanterweise wurde festgestellt, dass diese Vorfälle besonders häufig bei jüngeren Fahrern sowie in den frühen Morgen- und Abendstunden vorkommen.

4. Fazit und Empfehlungen

Die Durchführung einer Analyse von Lkw-Unfällen unter Verwendung von Dashcam-Daten hat wichtige Einblicke in die verhaltensbedingten Veränderungen gegeben, die mit Sekundenschlaf verbunden sind. Um die verkehrssicherheitsrelevanten Risiken, die aus dem Einschlafen am Steuer resultieren, wirksam zu minimieren, ist es entscheidend, nicht nur die Augen der Fahrer, sondern auch deren gesamtes Körperverhalten sowie das Fahrzeugverhalten fortlaufend zu überwachen.

Zukünftige Sicherheitsmaßnahmen sollten daher Technologien integrieren, die in der Lage sind, sowohl die physische Aktivität der Fahrer als auch die Fahrzeugdynamik in Echtzeit zu erfassen. Solche Systeme könnten dazu beitragen, kritische Anzeichen von Müdigkeit frühzeitig zu erkennen und somit das Risiko von Sekundenschlaf und den damit verbundenen Unfällen signifikant zu reduzieren.

In verkehrsmedizinischen Begutachtungen der Stufe 4 der Verkehrsmedizin Thurgau- Verkehrsmedizinisches Zentrum spielt die Analyse von Sekundenschlaf in einigen Fällen eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn es darum geht, die Gründe eines Unfalls zu bewerten, bei dem Müdigkeit als mögliche Ursache in Betracht gezogen wird. Neben den dargestellten Studienergebnissen sind in verkehrsmedizinischen Abklärungen der Stufe 4 im Rahmen der Anamnese Faktoren wie Schlafmangel zu erfragen. Lange Fahrtzeiten ohne angemessene Pausen sind ein weiterer kritischer Punkt, der in Gutachten berücksichtigt werden muss. Auch die Monotonie einer bekannten Fahrstrecke kann die Einschlafneigung begünstigen. Die genannten Studienergebnisse sind also nur als Ergänzung zu den bestehenden Kriterien zu betrachten und eher für technologische Innovationen besonders relevant.

Durch die Kombination von technologischen Innovationen und verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen ist es möglich, die Sicherheit auf unseren Strassen entscheidend zu verbessern und Unfälle zu vermeiden, die durch Müdigkeit am Steuer verursacht werden.

Referenzen

Website/Wissenschaftliche Artikel

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0001457523001173?via%3Dihub

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1556407X19300608

https://jcsm.aasm.org/doi/10.5664/jcsm.9250

https://tcs-mymed.ch/de/symptome-krankheiten/notfallratgeber/sekundenschlaf-muedigkeit-als-lebensgefahr

https://medrepublic.de/gesunder-schlaf/sekundenschlaf/

https://www.nzz.ch/mobilitaet/fahrsimulator-an-der-uzh-einschlafen-am-steuer-erwuenscht-ld.1676727

YouTube

https://www.youtube.com/watch?v=EoDNSxdL2TA

In diesem Video finden sich zahlreiche nützliche Informationen zum Sekundenschlaf. Zudem sind eine Reihe von Dashcam-Videos zur Thematik vorhanden.

Roediger - 16:33:35 @ Fahrtauglichkeit und altersbezogene Veränderungen


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