2024-11-14
1. Einführung
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die durch Symptome wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet ist. Diese Symptome können das tägliche Leben der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. ADHS wird üblicherweise durch verhaltenstherapeutische Ansätze und Medikamente, wie Stimulanzien (z. B. Methylphenidat oder Amphetamin-Derivate), behandelt, die die Konzentration und Impulskontrolle verbessern.
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betrifft nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern kann auch im Erwachsenenalter fortbestehen und erhebliche Auswirkungen auf das tägliche Leben haben. Zu den häufigsten Symptomen bei Erwachsenen gehören Schwierigkeiten mit der Organisation und Planung, Konzentrationsprobleme sowie Impulsivität. Diese Symptome können sich stark auf die Fahrfähigkeit und die Beteiligung am Strassenverkehr auswirken.
Trotz der Verfügbarkeit professioneller Behandlungsoptionen versuchen manche Betroffene, ihre Symptome durch den Konsum von Drogen eigenhändig zu behandeln. Dieser Ansatz wird als “Selbstmedikation” bezeichnet und birgt erhebliche Risiken. Dieser Blogbeitrag untersucht die häufig verwendeten Substanzen und zeigt die damit verbundenen Gefahren auf.
2. ADHS als Thema in der Verkehrsmedizin
ADHS ist in der Verkehrsmedizin ein wichtiges Thema, weil die Symptome der Störung – insbesondere Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität – die Fahrfähigkeit erheblich beeinträchtigen können. Diese Symptome erhöhen das Risiko von Verkehrsunfällen, da sie die Konzentration, Reaktionszeit und Entscheidungsfindung negativ beeinflussen.
Die Verkehrsmedizin Thurgau - Verkehrsmedizinisches Zentrum hat bereits zahlreiche Begutachtungen der Stufe 4 bei Personen mit ADHS, die eine Selbstmedikation mit Alkohol und Drogen praktiziert haben, durchgeführt. Diese Begutachtungen der Stufe 4 sind essenziell, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und individuelle Gefährdungen zu minimieren.
3. ADHS im Erwachsenenalter
Symptome und ihre Herausforderungen
Erwachsene mit ADHS können Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit über längere Zeiträume aufrechtzuerhalten, was bereits in alltäglichen Situationen problematisch sein kann. Dazu zählen beispielsweise das Erledigen von Aufgaben oder das Planen und Einhalten von Terminen. Im Kontext des Fahrens kann dies zu einer verminderten Fähigkeit führen, die Aufmerksamkeit auf die Strasse und den Verkehr zu konzentrieren, was das Unfallrisiko erhöht.
Konzentration und Aufmerksamkeit
ADHS kann die Fähigkeit beeinträchtigen, längere Zeit konzentriert zu bleiben. Dies ist besonders kritisch im Strassenverkehr, wo ständige Wachsamkeit und schnelle Reaktionszeiten erforderlich sind. Ablenkungen, sei es durch die Umgebung, ein Mobiltelefon oder Mitfahrer, können für Personen mit ADHS besonders gefährlich sein.
Impulsivität
Impulsive Entscheidungen, wie das Wechseln der Fahrspur ohne ausreichenden Blick in den Rückspiegel oder das Überfahren von Geschwindigkeitsgrenzen, stellen erhebliche Risiken dar. Erwachsene mit ADHS können dazu neigen, in solchen Situationen impulsiver zu handeln, was das Unfallrisiko weiter erhöht.
Zeitmanagement und Planung
Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, ihre Zeit effektiv zu managen. Dies kann dazu führen, dass sie zu spät losfahren und versuchen, dies durch schnelles Fahren oder riskantes Verhalten auszugleichen, was wiederum die Sicherheit im Strassenverkehr gefährdet.
4. Selbstmedikation mit Alkohol und Drogen
4.1 Stimulanzien
Mechanismus und Wirkung
Stimulanzien wie Amphetamine und Kokain erhöhen die Konzentration von Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin im Gehirn. Diese Neurotransmitter spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung von Aufmerksamkeit und Konzentration.
Risiken
Der missbräuchliche Konsum dieser Substanzen kann zu Abhängigkeit, schweren kardiovaskulären Problemen und neurotoxischen Effekten führen. Zudem besteht die Gefahr psychischer Nebenwirkungen wie Angstzuständen und Psychosen.
4.2 Cannabinoide (Cannabis)
Mechanismus und Wirkung
Einige Betroffene berichten, dass der Konsum von Cannabis ihnen hilft, sich zu entspannen und Stress abzubauen. Dies könnte auf die Wirkungen von Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) zurückzuführen sein.
Risiken
Cannabis kann die kognitive Funktion beeinträchtigen und bei langfristigem Gebrauch zu psychischen Gesundheitsproblemen wie Angststörungen und Depressionen beitragen. Zudem ist die Wirksamkeit von Cannabis bei der Behandlung von ADHS-Symptomen wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Die EMA-C-Studie untersuchte beispielsweise, wie sich Sativex, ein Medikament auf Cannabinoid-Basis, auf Erwachsene mit ADHS auswirkt. Die Ergebnisse zeigten keine wesentlichen Unterschiede in der Denk- und Konzentrationsfähigkeit oder der Aktivität zwischen den Personen, die das Medikament nahmen, und denen, die ein Placebo erhielten. Dennoch gab es in der Gruppe, die Sativex einnahm, einige kleine Verbesserungen bei der Hyperaktivität und Impulsivität. Diese Verbesserungen waren jedoch nicht stark genug, um als statistisch bedeutsam zu gelten. Die Studie deutet darauf hin, dass Cannabinoide für manche Erwachsene mit ADHS nützlich sein könnten. Es wird jedoch betont, dass weitere Untersuchungen notwendig sind, um diese positiven Effekte zu bestätigen.
4.3 Alkohol
Mechanismus und Wirkung
Einige Personen mit ADHS nutzen Alkohol, um sich zu entspannen und soziale Hemmungen zu überwinden. Alkohol wirkt als zentrales Nervensystem-Depressivum und kann kurzfristig Gefühle der Erleichterung verursachen.
Risiken
Alkoholmissbrauch führt zu erheblichen gesundheitlichen Risiken, einschliesslich Lebererkrankungen, Abhängigkeit und Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten. Langfristiger Alkoholmissbrauch kann die Symptome von ADHS verschlimmern und zusätzliche psychische Probleme verursachen.
4.4 Nikotin
Mechanismus und Wirkung
Nikotin, das in Tabakprodukten enthalten ist, kann kurzfristig die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit steigern, indem es die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin erhöht.
Risiken
Chronischer Tabakkonsum führt zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen, wie Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Abhängigkeit. Langfristige Auswirkungen auf die kognitive Funktion sind ebenfalls besorgniserregend.
5. Verkehrsmedizin und Verkehrsmedizinische Begutachtungen Stufe 4 in der Schweiz
In der Schweiz spielt die Verkehrsmedizin eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Fahrtauglichkeit von Personen mit ADHS, insbesondere wenn sie Drogen oder Alkohol konsumieren und dadurch im Strassenverkehrs auffällig wurden. Die verkehrsmedizinische Begutachtung Stufe 4 ist die höchste Stufe ist eine verkehrsmedizinische Beurteilung und wird angewendet, wenn komplexe medizinische Fragestellungen vorliegen, die die Fahreignung beeinträchtigen könnten.
Bedeutung für ADHS-Betroffene
Bei Personen mit ADHS, die sich durch Drogenkonsum selbst behandeln, kann eine solche Begutachtung notwendig werden, um die Fahrtauglichkeit sicherzustellen. Dies ist insbesondere relevant, da psychotrope Substanzen das Reaktionsvermögen und die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen können, was das Unfallrisiko im Strassenverkehr erheblich erhöht.
Durchführung der Begutachtung Stufe 4
Die verkehrsmedizinische Begutachtung Stufe 4 umfasst eine umfassende medizinische und verkehrsrelevante Untersuchung. Verkehrsmedizin und Verkehrsmedizinerinnen evaluieren die gesundheitliche Verfassung des Betroffenen und deren Fähigkeit, sicher am Strassenverkehr teilzunehmen. Dabei werden sowohl die Auswirkungen der ADHS als auch die möglichen Folgen des Alkohol- und Drogenkonsums berücksichtigt.
Konsequenzen
Abhängig von den Ergebnissen der Begutachtung kann es zu verschiedenen Massnahmen kommen, wie z.B. der Empfehlung für eine weiterführende Therapie, der Zulassung zum Strassenverkehr unter bestimmten Auflagen wie Abstinenznachweise oder dem zeitweiligen Entzug der Fahrerlaubnis.
6. Fazit aus Sicht der Verkehrsmedizin Thurgau - Verkehrsmedizinisches Zentrum
Die Selbstbehandlung von ADHS durch den Konsum von Drogen ist aus Sicht der Verkehrsmedizin Thurgau - Verkehrsmedizinisches Zetrum nicht nur weitgehend ineffektiv, sondern auch gefährlich.
Die Risiken überwiegen die potenziellen Vorteile deutlich. Es ist wesentlich, medizinische Fachkräfte zu konsultieren, um eine angemessene und evidenzbasierte Behandlung von ADHS zu erhalten.
Professionelle Behandlungsstrategien umfassen häufig eine Kombination aus Verhaltenstherapie und medikamentöser Behandlung, die darauf abzielen, Symptome zu lindern und die Lebensqualität der betroffenen Personen zu verbessern.
Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, an ADHS leidet, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Selbstmedikation mag als schnelle Lösung erscheinen, kann jedoch langfristig mehr Schaden anrichten als Nutzen. Zudem sollten betroffene Personen, besonders jene, die am Strassenverkehr teilnehmen, die Bedeutung der Erkrankung ernst nehmen, um sich und andere zu schützen.
Referenzen
Website/wissenschaftliche Artikel
Cooper, R., Williams, E., Seegobin, S. et al. (2017): Cannabinoids in attention-deficit/hyperactivity disorder: A randomised-controlled trial. Eur Neuropsychopharmacol, Vol. 27(8), S. 795-808. Abgerufen von:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28576350/
Dhamija, D., Bello A., Khan A.,et al. (2023): Evaluation of Efficacy of Cannabis Use in Patients With Attention Deficit Hyperactivity Disorder: A Systematic Review. Cureus, Vol. 26; 15(6):e40969. Abgerufen von:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37503496/
Philipsen, A., Döpfner, M. (2020): ADHS im Übergang in das Erwachsenenalter: Prävalenz, Symptomatik, Risiken und Versorgung. Bundesgesundheitsblatt, Vol. 63, S. 910–915. Abgerufen von:
https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-020-03175-y#citeas
YouTube
https://www.youtube.com/watch?v=FGmwXNnsSJc
“Der lange Weg zur Diagnose - ADHS bei Erwachsenen” eine Dokumentation des deutschen Senders SWR. Hier sind auch viele wissenschaftliche Quellen und Fachmeinungen enthalten.
https://www.youtube.com/watch?v=9o74j5ervCM
Eine Dokumentation des deutschen Senders ARD. Hier sind auch viele wissenschaftliche Quellen und Fachmeinungen enthalten.
Roediger - 12:39:34 @ Alkohol und Sucht
Verkehrsmedizin Thurgau -
Verkehrsmedizinisches
Zentrum
Hafenstrasse 50 b
8280 Kreuzlingen
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