Verkehrsmedizin Thurgau         
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2024-10-31

Betrunken ohne Alkoholkonsum? Das Eigenbrauer-Syndrom: Eine seltene, aber bemerkenswerte und verkehrsmedizinisch relevante Erkrankung

1. Einleitung

In den verkehrsmedizinischen Begutachtungen der Verkehrsmedizin Thurgau - Verkehrsmedizinisches Zentrum werden eine Reihe von Begründungen für eine Alkoholisierung. Eine besonders seltene Krankheit, die im Folgenden vorgestellt wird, diente dabei bisher nicht als Argument für eine eingeschränkte Fahreignung: Das Eigenbrauer-Syndrom, auch als Auto-Brauerei-Syndrom oder endogene Ethanolfermentation bekannt. 

Bei den betroffenen Menschen entsteht durch ungewöhnliche Gärungsprozesse im Verdauungstrakt Alkohol im Körper. Dies wird meist durch Hefepilze, besonders der Gattung Candida, verursacht, die Zucker in der Nahrung in Alkohol umwandeln.

2. Ursachen und Mechanismus

Beim Eigenbrauer-Syndrom wandeln Hefepilze die Kohlenhydrate aus der Nahrung in Alkohol um. Dies kann zu Zuständen führen, die einer Alkoholvergiftung ähneln, obwohl die betroffene Person keinen Alkohol getrunken hat. Typische Symptome sind Verwirrung, Benommenheit, Verhaltensänderungen und manchmal sogar offensichtliche Trunkenheit. In diesem Fällen ist die Fahreignung in der Regel nicht mehr gegeben.

Bei den Betroffenen der Krankheit kann also der Konsum einer Pizza oder eines Brotes zu den Symptomen einer hohen Alkoholisierung führen. Eine Scheibe Brot kann dann schnell so wirken, wie ein Glas Wein. Eine Pizza und etwas Brot könnten also zu zu einem hohen Promillewert und somit zu einer Anordnung einer Verkehrsmedizinischen Begutachtung Stufe 4 führen. 

3. Symptome des Eigenbrauer-Syndroms

Die Symptome des Eigenbrauer-Syndroms können vielfältig sein. Betroffene leiden oft unter unerklärlichen Intoxikationssymptomen wie Schwierigkeiten beim Sprechen, Koordinationsproblemen und unsicherem Gang. Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Blähungen und Bauchschmerzen können ebenfalls auftreten. 

Zudem sind Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und Verhaltensänderungen möglich, die einer alkoholinduzierten Psychose ähneln. Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit und Verwirrtheit sind weitere mögliche Symptome. Die Fahreignung der betroffenen Person ist in den meisten Fällen nicht mehr gegeben.

4. Diagnostische Verfahren

Die Diagnose dieser Erkrankung ist oft schwierig und umfasst verschiedene Schritte:

a) Ein ausführliches Gespräch zur Krankengeschichte kann helfen festzustellen, ob die Symptome ohne Alkoholkonsum auftreten.

b) Bluttests können erhöhte Ethanolwerte nachweisen, die nicht durch Alkoholkonsum erklärt werden können.

c) Ein Kohlenhydratbelastungstest, bei dem Kohlenhydrate unter medizinischer Aufsicht verabreicht werden, kann zeigen, ob die Blutalkoholwerte danach ansteigen.

d) Untersuchungen des Stuhls können das Vorhandensein von abnormalen Mengen fermentierender Hefepilze offenbaren.

e) Eine Endoskopie des Verdauungstraktes kann pathogene Hefen oder andere Abnormalitäten identifizieren.

Für die Diagnose des Eigenbrauer-Syndroms ist eine Zusammenarbeit von verschiedenen Fachärzten wichtig. Spezialisten aus Bereichen wie Gastroenterologie, Pathologie, Endokrinologie und Psychiatrie sind oft notwendig, um andere mögliche Ursachen auszuschliessen und eine genaue Diagnose zu stellen.

5. Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung des Eigenbrauer-Syndroms ist oft komplex und beinhaltet mehrere Ansätze. 

Eine Anpassung der Ernährung hilft, die Kohlenhydratzufuhr zu regulieren und die Substrate, die zur Alkoholproduktion führen, zu minimieren. 

Medikamente werden zudem eingesetzt, um die Hefepilze im Verdauungstrakt zu reduzieren. 

Zusätzlich können Probiotika helfen, die Darmflora zu normalisieren. In einigen Fällen kann auch eine strenge Kohlenhydratdiät notwendig sein.

6. Prävalenz und Forschung

Das Eigenbrauer-Syndrom ist extrem selten. Aufgrund seiner Seltenheit und der damit verbundenen diagnostischen Herausforderungen gibt es keine genauen Zahlen zur weltweiten Verbreitung. Nur sehr wenige Fälle sind in der medizinischen Literatur dokumentiert, wahrscheinlich im niedrigen zweistelligen bis dreistelligen Bereich. Da es keine systematische Erfassung gibt und viele Fälle möglicherweise unentdeckt bleiben, ist es schwierig, eine genaue Schätzung der Fallzahlen zu liefern.

7. Fazit

Das Eigenbrauer-Syndrom ist selten, aber herausfordernd und potenziell lebensverändernd für die Betroffenen. Eine Zusammenarbeit von verschiedenen medizinischen Fachleuten, auch Verkehrsmedizinern,  ist notwendig, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und gefährliche Situationen zu vermeiden. 

Wenn unerklärliche Symptome einer Alkoholvergiftung auftreten, ist es wichtig, dies medizinisch untersuchen zu lassen, um seltene Erkrankungen wie das Eigenbrauer-Syndrom nicht zu übersehen. Die Verkehrsmedizin Thurgau - Verkehrsmedizinisches Zentrum 

Durch weitere Forschung und ein besseres Bewusstsein für diese seltene Krankheit kann die medizinische Gemeinschaft besser vorbereitet sein, Betroffenen zu helfen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Jede Fallstudie und jedes erweiterte Wissen tragen dazu bei, das Verständnis und die Behandlungsmöglichkeiten für das Eigenbrauer-Syndrom zu erweitern.

Referenzen

Websites

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-142018/die-brauerei-im-bauch/

https://medical-tribune.ch/news/gastroenterologie/10079602/eigenbrauer-syndrom-ist-nicht-so-lustig-wie-es-klingt/

https://www.mmp-online.de/heftarchiv/2019/12/betrunken-ohne-alkoholkonsum-das-eigenbrauer-syndrom.html

YouTube

https://www.youtube.com/watch?v=q0NXKEeVE-0

Ein Beitrag in der Sendung Galileo, in der eine betroffene Person ihre Geschichte erzählt.

Roediger - 17:08:42 @ Alkohol und Sucht


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